Obwohl Comics dank der Verfilmungen immer mehr mainstream werden, nimmt man sie immer noch auf die leichte Schulter. Bryan Singers X-Men, der ersten beide Spider-Man Filme und dieses Jahr Dark Knight zeigten allerdings, dass selbst Superhelden ernstere Themen illustrieren können.
Aber Comics sind nicht nur Superhelden. Unzählige Konzepte werden jede Woche an Hollywood-Produzenten vorgestellt, ein Teil davon wird optioniert, und ein Teil davon findet den Weg zur großen Leinwand. Aber spontan fällt mir keine Verfilmung, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Es ist bestimmt nur eine Nachlässigkeit meinerseits. Damit will ich nicht sagen, dass Filme wie 300, 30 Days of Night und Wanted schlecht waren - im Gegenteil, sie waren sehr unterhaltsam. Ich finde es richtig, sogar ratsam, dass man sich unterhält. Das Leben ist ernst und hart genug, das ist wahr, aber man darf sich immer wieder entspannen, denn sonst vergisst man, dass das Leben überhaupt lebenswert ist. Objektiv betrachtet war Transformers ein vorhersehbarer Film mit dummen Dialogen, aber, Gott, habe ich die zwei Stunden im Kinosaal genossen!
Worauf ich aber hinauswollte, ist, dass Verfilmungen nicht adäquat zeigen, welche ernste Themen manche Comics behandeln. Nicht alle tun das, aber es scheint mir so zu sein, dass jene Leute, die nur die Verfilmungen aber nicht die Comicindustrie kennen, ein falsches Bild von der Comicindustrie bekommen, als ob es ihr nur darum gehe, Spaß zu haben. Allerdings ist sie viel komplexer, als sie auf dem ersten Blick erscheint. Ein paar der intelligentesten Autoren, die ich kenne und bewundere, arbeiten als Comicautoren, darunter Brian Wood, Jason Aaron, G. Willow Wilson. Und jetzt füge ich auch Joshua Dysart zu dieser Liste.
Letzte Woche erschien die erste Ausgabe von Unknown Soldier von DC/Vertigo Comics, geschrieben von Dysart und gezeichnet von Alberto Ponticelli. Der Charakter ist älter, aber es handelt sich hier um eine Neuinterpretation. Die Geschichte findet in Uganda statt - und es wird ein grausames Bild gezeichnet. Sie folgt dem Arzt Lwanga Moses, einem Pazifisten, der aber an seiner Grenze stoßt - und dann bricht es aus ihm aus. Insofern, rein erzähltechnisch, erschafft Dysart einen sehr interessanten Charakter, der mit sich selbst, mit seinem Glauben in Konflikt gerät. Denn wenn die Gewalt ausbricht, dann ist sie grausam, sie ist abstoßend, sie ist unethisch. Kurz, es gelten andere Regeln, aber Gewalt ist niemals gerecht.
Ich weiß, wie profan das ist - ich schreibe selber gewalttätige Szenen. Ich sage mir, dass ich sie nicht absichtlich als cool und nachahmenswert darstelle, auch wenn ich mir manchmal viel Zeit damit nehme, um sie richtig zu 'choreografieren'. Ich weiß nicht, ob das wahr ist, das müssen meine Leser entscheiden, aber ich versuche, mehr hinter einem Gewaltausbruch zu stecken, als nur den Zweck der Unterhaltung. Ob ich es erreiche, ist dann eine andere Frage.
Zurück zu Unknown Soldier. Der Comic bietet mehr als nur einen sehr interessanten Charakter. Es zeigt auch ein Bild von Afrika, von dem wir die Augen verschließen. Ich zähle mich auch dazu. Die Realität da ist natürlich noch grausamer, als sie von irgendein Medium dargestellt werden kann, aber Unknown Soldier ist ein sehr gut recherchierter Comic. In nur vierundzwanzig Seiten geben Dysart und Ponticelli dem Leser sehr viel Information, die er erstmal verdauen muss. Es handelt sich nicht um einen Comic, den man leicht zur Seite wirft, sobald man ihn durch hat. Als Nicht-Afrikaner ist es schwer, die Situation in Afrika in all ihren Facetten nachzuvollziehen, aber es ist ein Anfang.
Dysart hat auf seine Internetseite auch einen sehr interessanten Essay über die Internally Displaced Persons (zu Deutsch: Intern Vertriebene) und ihre Camps geschrieben. Ich finde es erstaunlich, dass diese Menschen nicht als Flüchtlinge gelten und insofern als minderwertige Menschen angesehen werden! Und es ist unglaublich, dass ihre Camps mit Konzentrationslager verglichen werden! Hier, im Anbruch des 21. Jahrhunderts. Und die Höhe kommt noch: Kinder werden unter der Deckung der Nacht von ihren Eltern entführt, damit sie als Soldaten für Joseph Konys Lord's Resistance Army ihr Leben sinnlos geben. Kony behauptet, er handle im Sinne von Jesus und dem Heiligen Geist - je nach Quelle nehmen diese (also Jesus oder der Heilige Geist) Besitz von ihm. Und dieser Mann schickt Kinder in den Tod. Mehr dazu kann man unter Invisible Children erfahren.
Die Welt ist klein. Sie ist zum Greifen nahe und dabei haben die Entwicklungen im Bereich der Technologie die wichtigste Rolle gespielt. Diese Sachen passieren in unsere Nachbarschaft, nicht in einem fernen Planeten. Ich will die Augen nicht davor verschließen. Für manche wird es wohl idiotisch erscheinen, dass ich gerade einen Comic als Anlass genommen habe, um darüber zu schreiben. So sei es dann. Aber es ist wichtig zu wissen, was auf der Welt heute passiert. Es ist wichtig, selbst zu recherchieren, um sich eine eigene Meinung zu bilden - vertraut nicht auf mein Wort, sucht selber danach. So oder so, werdet ihr aber zu dem Schluss kommen, dass Sachen auf unsere Welt passieren, die den Ernst unserer Probleme geradezu reduzieren, manche werden sogar nichtig.
Natürlich bin ich aufgeregt. Ich kann diese Zeilen nicht schreiben, ohne dass sie mich mitnehmen. Aber ich werde mich wieder beruhigen. Und ich werde wieder lachen. Denn um andere zu helfen, muss erstmal ich das Leben als lebenswert empfinden - wie kann ich sonst anderen glaubhaft vermitteln, worum es sich zu kämpfen lohnt?
Little, Big
vor 2 Monaten
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